Seit rund hundert Jahren beschäftigt sich die Literatur nun mit den Stichprobenverfahren in der Jahresabschlussprüfung. [1] Demgegenüber machen etliche empirische Studien deutlich, dass die Prüfungspraxis - trotz des breiten zur Verfügung stehenden Spektrums an Stichprobentechniken - die mathematisch-statistischen Stichprobenverfahren kaum anwendet. Vielen Prüfungspraktikern ist dabei nicht bewusst, dass die Aussagequalität der einfachen, nicht-statistischen Verfahren deutlich hinter den Erwartungen bleibt. [2]
Angesichts dieses ernüchternden Befundes geht der vorliegende Beitrag von folgender Arbeitshypothese aus, um zu erklären, warum in der Prüfungspraxis statistisch fundierte Vorgehensweisen weitestgehend gemieden werden:
- das mangelnde Verständnis für die Funktionsweise der jeweiligen Methode und
- die fehlende Einsicht, die im Rahmen einer Abschlussprüfung durchzuführenden Prüfungshandlungen als statistische Aufgabenstellung aufzufassen und dementsprechend zu modellieren.
Auf der Grundlage dieser Arbeitshypothese soll ein Ansatz zur statistischen Stichprobenprüfung vorgestellt werden, der auch für einen „mathematikfernen“ Prüfungspraktiker verständlich und praktisch nachvollziehbar sein sollte. Vorausgesetzt wird dabei lediglich, dass der Prüfer mit der Handhabung von MS-Excel vertraut ist – eine Anforderung, die heutzutage geradezu eine Selbstverständlichkeit darstellt.
Mit diesem Ansatz soll ein Beitrag geleistet werden, dass die statistischen Stichprobenverfahren in Zukunft häufiger, bewusster und gezielter im Rahmen der Jahresabschlussprüfung angewandt werden – speziell in Situationen, in denen der Prüfer ein hohes Urteilsrisiko zu verantworten hat und daher unter einer außergewöhnlichen Beweislast steht.
Mit dem vorzustellenden Ansatz soll versucht werden, ein Verständnis dafür zu schaffen, wie man bei der Durchführung von Prüfungshandlungen vorzugehen hat, so dass zum einen der betriebswirtschaftliche Zweck der Prüfungshandlung (Prüfungsziele) erreicht wird und dass zum anderen die Durchführung solcher Prüfungshandlungen als Umsetzung eines statistischen Modells verstanden werden kann.
Dieses statistische Modell besteht im Wesentlichen darin, dass der Prüfer die jeweilige Prüfungshandlung in Excel modelliert, so als würde er sie lediglich ein Mal durchführen. Damit ist gewährleistet, dass er die Prüfungshandlung inhaltlich voll versteht. Mit Hilfe der stochastischen Simulation wird diese Prüfungshandlung innerhalb von Excel – für unterschiedliche Stichprobenumfänge – so oft wiederholt, beispielsweise 1000 Mal, bis eine entsprechende Approximationsgüte der (unbekannten) empirischen Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Ergebnisvariable (z.B. Anzahl der über die Stichprobenziehung aufgefundenen Fehler) gewährleistet ist. Der Prüfer wählt für seine Prüfungshandlung sodann jenen Stichprobenumfang, mit dem die von ihm vorgegebene Aussagesicherheit und Aussagengenauigkeit erreicht ist. Da es in Excel ohne großen Aufwand möglich ist, eine umfassende (stochastische) Sensitivitätsanalyse des Prüfungsumfangs durchzuführen und diese auch anschaulich zu visualisieren, wird mit diesem Konzept dreierlei erreicht:
- Der Prüfer versteht seine Prüfungshandlung inhaltlich;
- Der Prüfer kann sich in Abhängigkeit von seinen Anforderungen (an die Aussagesicherheit und Aussagengenauigkeit der stichprobengestützten Prüfung) für einen Mindeststichprobenumfang entscheiden, der statistisch fundiert ist [3].
- Aufgrund der visuellen Aufbereitung der Simulationsergebnisse kann der Prüfer die Sensitivität des Stichprobenumfangs von den Eingangsparametern erkennen und diese eventuell – unter Kosten-/Nutzengesichtspunkten – modifizieren.
Der Ansatz wird an zwei ausgewählten Beispielen dargestellt:
- an der „Entdeckungsstichprobe“ und – darauf aufbauend:
- am „Monetary Unit Sampling“.
[1] Vgl. Klein-Cöln, Adolf, Über die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung von Fehlern bei Revisionen, in: ZfhF 6. Jg., 1911/12, S. 580-585; Schmalenbach, Eugen, Über Einrichtungen gegen Unterschlagung und über Unterschlagungsrevision, in: ZfhF 6. Jg., 1911/12, S. 322-341.
[2] Mochty, Ludwig: Nicht statistische Stichproben. In: FS für Prof. Dr. Dr.h.c. Jörg Baetge zum 70. Geburtstag.
[3] Mochty, Ludwig a.a.O.