Wenn Maschinen lernen: was ist unsere Lektion?
(Autor: Dr. Dominik Fischer)
Der Mensch lernt nie aus, wie es im Volksmund bereits seit Generationen bekannt ist. Doch was sich der Mensch wohl nicht Ausgemalte, ist die Möglichkeit Systeme zu erschaffen, welche das Potential haben ihn selbst zu belehren: Künstliche Intelligenzen.
Der Verein DFDDA e.V. (Deggendorfer Forum zur digitalen Datenanalyse) forderte dieses Phänomen heraus und lud ein breites Spektrum an hochkarätigen Referen*tinnen zum 17. Forum an die TH Deggendorf, um zu erörtern, welche Lektionen die K.I. für die finanzprüfenden Berufe bereithält.
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Beginnend mit dem Abend des 10. Mai 2023 begrüßte Frau Andrea Bruckner, Mitglied des Vorstandes der BDO AG und Kuratoriumsvorsitzende des DFDDA e.V., gemeinsam mit Prof. Dr. Georg Herde, dem 1. Vorsitzenden des DFDDA e.V., die Teilnehmer*innen zur Eröffnung des Forums. Prof. Waldemar Berg (Vize-Präsident der TH Deggendorf) begrüßte anschließend die Zuhörerschaft und die Referenten*innen im Namen der Hochschule, betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Lehre, Forschung und Wirtschaft mittels des DFDDA e.V. und sieht viel Potential in der von der BDO AG gestifteten Forschungsprofessur, um die Fragestellungen des Vereins in der Wissenschaft zu verankern.
Zur Eröffnung hielt Prof. Dr. Julia Knopf vom Forschungsinstitut Bildung Digital der Universität des Saarlands einen Impulsvortrag zum Thema "Corporate Didactic - Ein neues Leitbild für das Lernen in Auditing, Tax und Advisory". Frau Prof. Knopf beleuchtet die oft unbefriedigenden Weiterbildungsangebote bei Unternehmen und betonte, dass der Einsatz von K.I. Systemen keinen Mehrwert bieten, wenn die Qualität und vor allem die Didaktik in den Lehrinhalten vernachlässigt wird. Gerade in einer Zeit mit tendenziellem Informationsüberfluss sei es wichtig die Lerninhalte maßgeschneidert an der Unternehmensstrategie und -kultur auszurichten. Dann wiederum lassen sich K.I. Systeme sehr wohl einsetzen, um auch effizient individuelle Lerninhalte zu erzeugen.
Frau Bruckner begrüßte die Teilnehmer*innen am zweiten Tag im Scotty + Paul Hotel Deggendorf. Um für die prüfenden Berufe der Betriebswirtschaften einen passenden Rahmen zu stecken referierte Frau Melanie Sack, stellvertretende Vorstandssprecherin des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) über "Chancen und Herausforderungen der KI für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer". Frau Sack stellte zum einen die aktuellen regulatorischen Entwicklungen in Bezug auf K.I. heraus, auf Ebene des IDW sowohl bis hin zu Entwicklungen in der Europäischen Union, und erklärte die flexible Anwendbarkeit bereits bestehender Prüfungsstandards. Die größten Chancen von K.I. Systemen für WPGs sieht Frau Sack darin die Prüfungsqualität und -effizienz zu steigern, wie auch das Berufsbild moderner und somit attraktiver zu gestalten. Gleichzeitig bringt der Einsatz der K.I. Systeme ebenso viele Herausforderungen mit sich, wie die Frage nach Transparenz und Vertrauenswürdigkeit der K.I. und der Schulung der Mitarbeiter*innen.
Einen Einblick in den aktuellen Prüfungsalltag bot Anna Buschbeck, Partnerin bei der BDO AG, in Ihrem Vortrag über "Künstliche Intelligenz - eine Lösung für die digitale Datenflut?" und spannte somit einen geeigneten Übergang zur Anwendung zuvor diskutierter Regularien. Gleich zu Beginn betonte Frau Buschbeck, dass neue Methoden zur Prüfung benötigt werden, um mit der steigenden Datenmenge in Unternehmen Schritt halten zu können, vor allem da sich oft zwar die Datenmenge steigert, jedoch nicht die Datenqualität. K.I. Systeme können dann eingesetzt werden, um die für die stichhaltige Prüfung relevanten Daten zu identifizieren. Eine enge technische Vernetzung mit den Mandanten sieht sie eher als langfristige Vision, da es keine ausreichenden Standards für Schnittstellen und Datenmodellen gibt. Selbst der Export nach GDPdU-Vorschrift, seit über 20 Jahren empfohlener Standard der Finanzverwaltung, wird von jedem System individuell implementiert. Gleichzeitig zeigen sich Unternehmen meist konservativ bei Herausgabe hinreichend großer Datenmengen in regelmäßigen Abständen um beispielsweise Konzepte wie „Continuous Auditing“ umzusetzen. Demnach sieht auch Frau Buschbeck die größten Potentiale darin mit K.I. die Prüfungsplanung und -durchführung effizienter zu gestalten.
Im Anschluss boten Günter Pesch und Sebastian Kiefer von der DATEV eG in Nürnberg ein Beispiel an, um dieses Potenzial zu erfüllen. In Ihrem Vortrag "Unüberwachte Anomaliedetektion für die Finanzprüfung mit modellunabhängigen Erklärungen" stellten sie die Funktionsweise intelligenter Algorithmen dar, um Anomalien in Buchungsflüssen zu identifizieren. Eine Anomalie sei hier ein Fehler im Buchungsstoff oder ein direkter Verstoß gegen Buchungsregeln. Modelle zum unüberwachtes lernen seien laut den Referenten besonders attraktiv für die Wirtschaftsprüfung, da der Berufsstand faktisch keine hochwertigen Lerndaten zur Verfügung hat. Gerade mit der Zuhilfenahme des sogenannten Feature Engineerings kann man das unüberwachte Lernen unterstützen, indem relevante Buchungsmerkmale aktiv selektiert oder berechnet werden. Zum Beispiel wäre dies die „Übereinstimmung mit den üblichen Steuersätzen“ oder die „Übereinstimmung der Buchungen mit der Benford-Verteilung“. Abschließend bleibt noch die Herausforderung wie man diese Analysen evaluiert, in den Prüfungsalltag mit integriert und die Wirtschaftsprüfer*innen für die Interpretation der Analyseergebnisse schult.
Nach einer Mittagspause referierte Prof. Dr. Melanie Kappelmann-Fenzl von der Technischen Hochschule Deggendorf über "Mutationen & Co. KG". Frau Prof. Kappelmann-Fenzl ist Bioinformatikerin und beschäftigt sich mit der Analyse von biologischen Datensätzen, wie dem Genom, dem Exom oder dem Epigenom. Metaphorisch verglich Sie gekonnt die Parallelen zwischen dem biologischen System und einem Unternehmen als System. Denn in beiden Systemen können schon kleine Fehler oder Krankheiten die Stabilität und Gesundheit des kompletten Systems gefährden. Demnach hat auch die Bioinformatik eine lange Tradition zur statischen Auswertung sehr großer Datenmengen, wo der Einsatz von Machine Learning Modellen und K.I. Systemen kaum noch wegzudenken ist. Trotzdem ist laut Prof. Kappelmann-Fenzl in der letzten Instanz „natürliche“ Intelligenz eines Menschen notwendig, um Analyseergebnisse zu interpretieren und zu bewerten.
Der letzte Vortrag des Tages wurde von Diplom-Finanzwirt (FH) Gregor Danielmeyer von der OFD NRW Münster gehalten. Sein Vortrag behandelte das Thema "Prüfungsansätze bei virtuell agierenden Steuerpflichtigen“. Er thematisierte, dass sich vor allem in den vergangenen zwanzig Jahren Technologien etabliert haben, welche es der Finanzverwaltung erschweren die Steuerpflicht in der digitalen Welt zu ermitteln. Gleichzeitig setzen Individuen wie „Influencer“ auf YouTube, Twitch.tv, und Co. oft sechsstellige Beträge um, während deren Klarnamen unbekannt bleiben. Auch die Besteuerung von digitalen Besitzurkunden (NFTs) und digitalen Devisen (Bitcoin, Ethereum, …) beinhaltet interessante Fragestellung aus der Sicht der Betriebsprüfung. Herr Danielmeyer stellte klar dar, dass, auch wenn es verhältnismäßig lange dauert, um aktualisierte Steuergesetze zu verabschieden, die Finanzverwaltung die Entwicklung der digitalen Welt verfolgt, fokussiert und Betriebsprüfer*innen entsprechend schult.
Nach etwa drei Jahren mit virtuellen Formaten fand das Deggendorfer Forum nun wieder in Präsenz statt und der Geist des gemeinschaftlichen Austausches lebte in Deggendorf wieder auf. Die Teilnehmer*innen zeigten reges Interesse an den Diskussionen und die Moderatorin, Frau Bruckner, hatte eher die Herausforderung, diese im Rahmen zu halten, um die Agenda nicht zu sprengen.
(Vlnr: Fr. Prof. Knopf, Fr. Bruckner, Fr. Buschbeck, Hr. Peschl, Hr. Kiefer, Hr. Danielmeyer, Fr. Sack, Hr. Bulitta, Hr. Prof. Herde - Referentin Fr. Prof. Kappelmann-Fenzl fehlt im Bild)